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Michael K. Schulz (Potsdam):

Technik und Tierwohl in der Schweinehaltung vom Kaiserreich bis in die 1930er Jahre

Die Rationalisierung und Marktorientierung der Agrarwirtschaft im 19. Jahrhundert führte im Kaiserreich und in der Weimarer Republik zu einem rasanten Wachstum der Schweinebestände. Unterstützt wurde diese Entwicklung durch die Verbreitung von theoretischem und praktischem Wissen sowie durch technische Innovationen. Während die Tierzüchter eine leistungsorientierte Sicht der Schweinehaltung propagierten, ermöglichten die modernen Wissenschaften – Zoologie, Veterinärmedizin und Tierpsychologie – ein neues Verständnis der Tiere und ihrer Bedürfnisse. Parallel dazu entwickelte sich in Deutschland die Tierschutzbewegung. Obwohl sie sich eher auf Tiere im sozialen Nahbereich des Menschen konzentrierte, konfrontierte sie die Gesellschaft des Kaiserreichs mit neuen Moralvorstellungen zur Tierhaltung.

Anhand von Fachliteratur, Lehrbüchern und Ratgebern zur Schweinehaltung sowie der Zeitschrift für Schweinezucht, Schweinemast und Schweinehaltung (1894–1943) werden im Referat drei Aspekte des Schweinelebens dargestellt, die sich im Untersuchungszeitraum durch neue Techniken grundlegend veränderten. Erstens wurden zum Schutz der neugeborenen Ferkel vor dem Erdrücken durch die Mutter sogenannte Abferkelkisten eingeführt. Diese Vorläufer der heutigen Kastenstände schränkten die Bewegungsfreiheit der Sauen ein und wurden daher von Anfang an kritisch betrachtet. Zweitens, um den Schweinen Bewegung im Freien zu ermöglichen und gleichzeitig das Wühlen zu verhindern, empfahlen einige Züchter Nasenringe. Andere kritisierten diese Methode und machten Gegenvorschläge, wie z. B. eine bessere zeitliche und räumliche Organisation des Weidegangs. Drittens wurde auf Druck von Tierschutzvereinen das bis dahin übliche Keulen der Schweine nach und nach durch Bolzenschussapparate und schließlich durch die sogenannte elektrische „Schweinefalle“ ersetzt. Die Frage des Tierschutzes wurde im Hinblick auf die genannten drei Aspekte stets von Zeitgenossen thematisiert.