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Axel C. Hüntelmann (Josephinum, Medizinische Universität Wien):

„Care and Breeding of Laboratory Animals”. Tier-Mensch-Beziehungen im Labor und die Entstehung der Versuchstierkunde

1950 erschien in den USA das Handbuch „Care and Breeding of Laboratory Animals“, in dem Wissen über Fütterung, Handling und Krankheiten von Versuchstieren zusammengefasst war. In Deutschland war die Situation ganz anders. Hier musste man sich das Wissen noch im Labor praktisch aneignen oder aus thematisch anders gelagerten Publikationen erschließen. Die Standardisierung der Versuchstierzucht, die Institutionalisierung und Professionalisierung der Versuchstierkunde setzte relativ spät in den 1950er Jahre ein, wohingegen es in den USA mit der der Witstar Rat und der JAX-Mouse schon früh gelungen war, in regelrechten Mäuse-Fabriken standardisierte Modellorganismen zu züchten (und zu beforschen). Seit Ende des 19. Jahrhunderts wurden in der medizinischen Forschung nicht nur quantitativ mehr, sondern auch standardisierte Tiere benötigt. Das praktische Wissen über die im Versuch verwendeten Tiere erwarben die Wissenschaftler:innen durch die Interaktion mit diesen. Die agency – hier verstanden als Wirkungsmacht – der Labortiere führte dazu, dass Experimentalsysteme aber auch die Interaktion zwischen Mensch und Tier immer wieder angepasst werden musste. Der sorgfältige Umgang mit den Versuchstieren war wichtig, weil sie im Rahmen der Experimente zu wertvollen Subjekten wurden und weil die gesellschaftlichen Anforderungen an den Umgang mit den Tieren stiegen. Der Beitrag skizziert dieses Beziehungsgefüge im Labor und die Entstehung der Versuchstierkunde zwischen 1910 und ca. 1970.