Die Katze als Organismus und technisches Objekt im Gefüge physiologischer Experimentalsysteme spielte eine
zentrale Rolle bei der Untersuchung des Gesichtssinns. Inspiriert von den Schriften Hubel und Wiesels verbanden
in den 1970er Jahren auch die Forscher Werner von Seelen und Klaus Peter Hofmann mathematische Modellierung und
digitale Simulationen mit Experimenten am visuellen Kortex des Tiers.
Ihr Ansatz zur Modellierung der
raum-zeitlichen Repräsentation visueller Reize in Nervennetzen zielte darauf ab, Prozesse der Lokalisation von
Bewegungsmustern zu verstehen und ein zentrales Problem der Mustererkennung zu lösen: die Trennung von Vorder-
und Hintergrund. Die gewonnenen Erkenntnisse flossen in die Entwicklung digitaltechnischer Apparate ein. Mit der
Gründung des Instituts für Neuroinformatik an der Ruhr-Universität Bochum in den 1990er Jahren setzte von Seelen
diese technologische Ausrichtung fort, während das physiologische Experiment und die Rolle der Katze als
Mustergeneratorin und -interpretin an Bedeutung verloren.
Durch die Einordnung der Katze in die
Geschichte der epistemischen Praktiken der Mustererkennung fragt der Vortrag nach der sich wandelnden Rolle des
animalischen Organismus in einer zunehmend informationstheoretisch ausgerichteten Experimentalforschung und
Technikentwicklung.