Im April 1878 wurde Alois Kraus (1840–1926), „Unter-Inspektor“ der kaiserlichen Menagerie Schönbrunn, mit einer
schwierigen Mission beauftragt. Er sollte nach Java reisen, um dort ein diplomatisches Geschenk abzuholen: zwei
Tiger. Zu seiner Fracht gehörten letztlich aber auch drei Panther, zwei Löwen, ein Orang-Utan, mehrere Affen,
Gazellen, Schlangen, Vögel sowie Pflanzen und ethnographische Objekte. Die Reise Kraus‘ und seine Rückkehr nach
Wien Anfang Oktober wurden zu einem Medienereignis. Der Tierpfleger wurde als Held gefeiert. Er hatte einen
halben Zoo im Alleingang vom anderen Ende der Welt zurückgebracht. Angeblich überlebten alle 84 Tiere die
zweimonatige Reise über Wasser und Land; allgemein war die Sterblichkeit bei derartigen Tiertransporten enorm
hoch.
Der Vortrag wird Kraus‘ Reise doppelt rekonstruieren: zum einen aus der medial-offiziösen
Perspektive (zahlreichen Zeitungsartikeln sowie seinem eigenen Bericht), zum anderen aus der nichtöffentlichen
Warte der Hofverwaltung. Deren Quellen beschreiben detailliert zahlreichen Herausforderungen. Wie konnte Kraus
eine so große Anzahl verschiedener Tiere erwerben, füttern, und transportieren? Themen wie die explodierenden
Kosten, der Bau geeigneter Käfige und die schwierige Überfahrt auf Dampfern und Zügen rücken die Logistik des
Tiertransports in den Mittelpunkt des Vortrags. Kraus, aus einfachen Verhältnissen stammend, verfügte 1878
bereits über 20 Jahre Erfahrung im Umgang mit „exotischen“ Tieren, gerade auch auf hoher See. Als er im Oktober
1879 Direktor der Menagerie werden sollte, sprach ihm die liberale Presse die Eignung ab, da er keine
akademischen Studien absolviert hatte.
Der übergeordnete Kontext des Vortrags ist die Beschleunigung und
Vervielfachung des Volumens des internationalen Tierhandels zwischen Europa und Südostasien nach der Öffnung des
Suez-Kanals. Welches spezifische tiergärtnerische Wissen wurde hierfür benötigt und wie wurde es generiert?