Im späten 18. Jahrhunderts lässt sich eine bemerkenswerte Konjunktur bienenwissenschaftlicher Publikationen
beobachten. Bei der Lektüre dieser Texte wird schnell klar: Hier schrieben keine gleichgültigen Protokollanten
der entomologischen Erkenntnis, sondern angesichts ihres Studienobjekts von Faszination und Ehrfurcht ergriffene
Bienenenthusiasten. Das Erforschen von Insekten galt am Ende der Frühen Neuzeit als affektgesättigte Tätigkeit,
die den Einsatz aller Sinne erforderte. Einer physikotheologischen Wissenschaftsauffassung folgend, ermöglichte
die sinnliche Erfassung winziger Hautflügler nicht nur Aussagen über Insekten. Entomologische Befunde verwiesen
aus Sicht der Zeitgenossen immer auch auf die göttliche Schöpfung, deren ganzheitliche Ordnung sich in den
feingliedrigen Körpern lebender oder konservierter Insekten studieren ließ.
Wie eine ganze Reihe bienenwissenschaftlicher Schriften zeigt, bedeutete entomologische Forschungsarbeit
dabei nicht nur, ein Wissensobjekt zu beobachten, sondern es zu riechen, zu schmecken, zu hören und mit einem
religiös-kulturellen Index zu versehen. All diese Sinneseindrücke präsentierten frühneuzeitliche Bienenforscher
als Zugänge zu einer umfassenden, sinnlich vermittelten Gotteserkenntnis, die ihre Wahrnehmung der Tiere
maßgeblich durchdrang und ein ganzes Ensemble von Emotionen evozierte. Was eine Biene gegen Ende des 18.
Jahrhunderts war, wie sie als epistemisches Ding verfasst und repräsentiert wurde, hing also auch davon ab,
welche Assoziationen, Gefühlsregungen und Erfahrungen ihre sinnliche Präsenz hervorrief.
Der als
Fallstudie konzipierte Vortrag erkundet die kulturellen Bedeutungen, affektiven Aufladungen und
wissenskonstitutiven Effekte dieser geruchlichen, geschmacklichen und auditiven Wahrnehmungen als
speziesübergreifende Praxis. Über die Biene, so die These, lassen sich neue Einsichten in die
mehr-als-menschlichen, affektiven und sinnlichen Dimensionen der Wissenschafts- und Tiergeschichte
herausarbeiten.